Ngauruhoe – Der Schicksalsberg


Mitten auf der Nordinsel von Neuseeland befindet sich das Zentralplateau. Es ist das Zuhause des Schicksalberges Ngauruhoe, einem der jüngsten Vulkankrater der Region. Der Ngauruhoe ist ein sehr junger Krater eines uralten Vulkans mit dem Namen Tongariro. Vor gerade mal 600 Jahren hat sich die nahezu perfekt konische Kaldera des Schicksalberges in jahrelangen Eruptionen gebildet.

Du hast die Schuhe schön!
Diesen Berg wollen wir besteigen. Besser gesagt, wir wollen das alpine Crossing zwischen den beiden Kratern Ngauruhoe und Ruapehu machen. Eine Wanderung über das große Tongariro-Massiv von West nach Ost. Wir stehen am Anfang. Gerüstet mit frisch geliehenen Wanderschuhen, frisch gekauften dicken Strümpfen, eingpackt in alle dicken Kleidungsstücke, die wir haben und mit genügend Proviant für den 7-8 Stunden langen Marsch durch die Lavawüste, die den Vulkan umgibt. Noch einmal durchatmen und dann starten wir langsam. Immer einen Fuß vor den anderen, nicht zu Beginn schon anfangen zu hetzen. Wir bewegen uns durch eine karge Landschaft, die an die rauhe Natur griechischer Insel erinnert. Nur irgendwas ist anders. Es ist der Boden. Wir gehen über erkaltete alte Lavaströme. Gesteinsflüsse, die vor Jahrtausenden als glühendheiße Magma die Erde verlassen haben, um sich als Lava über das Land zu verteilen. Die Glut, die die Vulkankrater verlassen hat, wirkt wie ein Versuch des Erdinneren, die Oberfläche zu erobern. Die Lahar, so werden die Lavaströme auch genannt, sind wie die Armeen, die sich unter der Erdkruste versammelt haben, und sich, begleitet vom lautem Gebrüll der Eruptionsexplosionen, mutig ins Freie stürzen. Empfangen werden sie von der Wüste Rangipo, die sich im Osten an das Vulkanmassiv anschließt. Eine öde Landschaft, die mit ihren leichten Hügeln und Tälern kaum Widerstand leisten kann in der Schlacht um das Land.

Die Landschaft die war öd und leer,
wir beiden guckten blöd umher.
Die Oberwelt hat es aber geschafft, sich das durch die Lava eroberte Land wieder Stück für Stück zurück zu holen. Flechten und Moose haben Kundschaftern ähnlich angefangen die ersten Lahar zu bewachsen. Der Begriff Lahar kommt aus Indonesien, genauer gesagt aus dem Javanesischen. “Klar dass sich die Indonesier mit Vulkanen auskennen”, denke ich, während ich die Abbruchkante des Stromes betrachte an dem wir entlang gehen. Den Flechten und Moosen sind Gräser und Sträucher gefolgt, die die Gegend genug bedecken, damit sich ein erwachsener Mensch darin verstecken kann. Sie bieten aber wenig Schutz gegen den beißenden Wind, der uns ins Gesicht schlägt. Unser Kopfschutz ist kaum in der Lage, dem Reißen der Böen standzuhalten. Immer wieder dringt die Kälte in unsere Kleidung ein und lässt uns schauern. Machen wir hier wirklich das Richtige? Ist der Weg zu schwer? Werden wir gesund und wohlbehalten auf der anderen Seite ankommen? Wir wissen es nicht. Düstere Gedanken steigen in uns hoch. Was ist wenn dieser Weg stärker ist als wir? Kälte und Feuchtigkeit kriechen in unsere Schuhe und unsere Klamotten.

Das Moos hing Meter dick von den Bäumen
Wir wandern durch ein Gebiet mit wunderschönen alten Bäumen. Die meisten sind nur wenige Meter hoch und ebenfalls mit Moos und Flechten bedeckt. Wunderschöne Parasiten, die der Vegetation das Wasser aus der Rinde saugen. Was einst die Grundlage für andere Pflanzen war, nimmt sich jetzt seinen Teil von seinen Nachfolgern. Die Bäume wirken wie Doppelagenten des Reiches unter der Erde und der Oberwelt. Teils im Dunkel verwurzelt, teils im Hellen verzweigt. Nicht ganz oben, nicht ganz unten. Diesen Kampf zwischen Licht und Finsterniss betrachtend stapfen wir weiter. Die Wanderschuhe wiegen schwer an den Füßen und unsere Rucksäcke schneiden sich tief in unsere Schultern. Die rohe Schönheit der Landschaft widerspricht dem Gefühl, das sich in unserem Körper breit macht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit das erste kurze Innehalten. Ein kurzer Blick auf unsere Uhr verrät uns, wir waren bereits 15 Minuten unterwegs.
Die Bruchkante eines Lavastroms. Ein Bach fällt fröhlich auf die nächste wasserundurchlässige Gesteinsschicht.
PS: Wir haben nicht das alpine Crossing gemacht. Zwischen den beiden Kratern waren es laut Visitor Information -10° C. Wir sind stattdessen einen anderen Weg zu den Tanaraki Falls gegangen. Da habe ich mich gefragt, warum heißt es Tanaraki Falls, es ist doch nur ein Wasserfall und nicht viele.

PPS: Das Titelbild ist ein Berg der mit dem Vulkan rein gar nichts zu tun hat. Es war der einzige Berg in der Gegend der nicht von Wolken verhangen war und von dem man ein Bild machen konnte. Sorry!
Die heilige Geometrie der Pflanzen.

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